Kurzrezension: Karl Ove Knausgård „Kämpfen“

Auf nochmals fast 1300 Seiten schließt Karl-Ove Knausgard mit „Kämpfen“ sein einzigartiges autobiographisches Epos „min kamp“ ab. Wie bereits in den vorherigen fünf Bänden begleitet der Leser den Autor minutiös durch dessen Alltag. Angefangen bei dem Zusammenleben mit Ehefrau und Kindern, über die ausschweifenden Gespräche mit Freund Geir, bis hin zur Entstehung des Romans. Denn die beleuchtete Zeit ist die Phase kurz vor der Veröffentlichung des ersten Teils und sorgt dafür, dass sich das Grauen in Knausgards Seele breit macht. Aufgrund der schonungslosen Schilderung – unter anderem die des Vaters, der sich zu Tode soff – droht sein Onkel Gunnar mit einer Anklage, sollte Knausgard die entsprechenden Abschnitte nicht herausnehmen oder zumindest anonymisieren. Doch genau darin liegt die Krux: Knausgards Werk steht und fällt mit der Authentizität aller Handlungen, Orte und nicht zuletzt Personen. Er ist nicht bereit, seinen Roman und damit auch seine Existenz als Schriftsteller zu opfern und nimmt die Konsequenzen in Kauf. Seine Familie leidet unter der zunehmenden Anspannung des Autors, der insbesondere mit dem Vorwurf der Unwahrheit durch Gunnar nicht zurecht kommt und sich immer wieder in Selbstzweifeln verliert.
Der abschließende Band der Reihe ist wohl der mit der größten Komplexität. Angefangen mit den Sorgen vor einer Anklage, entwickelt sich der Roman zu einem Essay, in dem Knausgard auf hunderten von Seiten Gedichte von Celan analysiert, Literatur von Kafka und Proust beleuchtet und schließlich die Biographie Hitlers mit der eigenen vergleicht. Ein vor allem wegen seiner Ausführlichkeit anstrengender Text, der aber viele kluge Gedanken enthält. Ohne ausreichende Kenntnis, so Knausgard, könne man sich nicht vor einer weiteren Katastrophe wie dem NS-Regime wappnen: „Wenn ‚das Böse‘ kommt, dann sicher nicht in Gestalt eines ‚Sie‘, als etwas Fremdes, das wir leicht von uns weisen können, es wird in Gestalt eines ‚Wir‘ kommen.“

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